Selbstcheck für Fachkräfte, die jugendpolitische Gremien begleiten:
Repräsentation und Ansprache
- Welche Plattformen und Orte nutzen wir für Werbung und halten sich dort Mädchen* und junge Frauen* (mit unterschiedlichen Lebenswelten) auf?
- Sind unsere Materialien divers gestaltet, sodass möglichst viele unterschiedliche Mädchen* repräsentiert sind, sich angesprochen fühlen und sich wiederfinden?
Zielgruppenorientierte Zugänge
- Für wen sind unsere Formate leicht zugänglich? Benötigen wir neue bedarfsorientierte Angebote? (Z.B. Welches Wissen wird vorausgesetzt? Achten wir auf inklusive und leichte Sprache? Wie barrierefrei sind unsere Veranstaltungsräumlichkeiten? Für welche Wohngegenden sind die Orte unserer Veranstaltungen gut zu erreichen? Können wir Veranstaltungen auch im ländlichen Raum, an wenig repräsentierten Orten anbieten?)
Machtkritische Haltung
- Nehmen wir als Fachkräfte eine diskriminierungskritische Haltung ein und hinterfragen unterschiedliche Ungleichheitsverhältnisse?
Direkte Ansprache von Mädchen* und jungen Frauen*
Zielgruppen, die schwer zu erreichen und wenig repräsentiert sind, können durch aufsuchende Arbeit und direkte Ansprache zur Beteiligung ermutigt werden. Denn oftmals werden Mädchen* nur „mitgemeint“ und sind dadurch weniger sichtbar. Dabei lohnt es sich zu überlegen, wo sich die Zielgruppe aufhält. Spezifische Anlaufstellen für Mädchen* könnten Mädchen*treffs in der offenen Jugendarbeit sein, Mädchen*wohngruppen oder Fachkräfte, die mit Mädchen* arbeiten (Schulsozialarbeiter*innen, Mädchen*gruppenleiter*innen, Mädchen*-AKs etc.). Gerade im ländlichen Raum oder in bestimmten Stadtteilen, aus denen wenig Jugendgemeinderätinnen vertreten sind, ist eine Recherche über Treffpunkte von Mädchen* und ihre* Bezugspersonen sinnvoll, um dort über die Arbeit der Jugendgemeinderäte zu informieren. Je mehr verschiedene Zugangsmöglichkeiten genutzt werden, desto mehr Mädchen* können erreicht werden. Social-Media-Kanäle (v. a. Instagram oder WhatsApp-Gruppen) haben eine große Reichweite und Jugendliche können als Vermittler*innen angefragt werden, um Infos in Peer-/WhatsApp-Gruppen zu streuen. Zusätzlich sind analoge Informationsmaterialien wichtig, um auch Mädchen* zu erreichen, die keine digitalen Kommunikationswege nutzen (können).
Nicht nur die Art und Weise, Informationsmaterialien zu verteilen, sondern auch der Inhalt kann auf Vielfältigkeit überprüft werden. Je mehr Diversität sichtbar ist, desto mehr Jugendliche fühlen sich angesprochen. Außerdem senken Abbildungen und Illustrationen von vielfältigen Mädchen* in den Materialien die Hürde, sich mit Jugendgemeinderät*innen zu identifizieren und ggf. sogar selbst dort aktiv zu werden. Dabei ist es wichtig zu hinterfragen, ob stereotype Zuschreibungen reproduziert werden oder ob unterschiedliche Lebensrealitäten zum Ausdruck kommen. Weiterhin ist die Reflexion der Sprache von großer Bedeutung. Geschlechtergerechte und inklusive Sprache sorgt für eine direkte Ansprache von Mädchen* und queeren Jugendlichen. Aber auch leichte Sprache oder der Vermerk, dass das Angebot kostenlos ist, kann eine wichtige Information für Interessierte sein und Hürden bzgl. der Teilhabe abbauen.
Zielgruppenspezifische Angebote
Um mehr Mädchen* und junge Frauen* für die jugendpolitische Arbeit zu gewinnen, reicht es nicht immer aus, offen für „alle“ zu sein. Stattdessen sollten spezifische, bedarfsorientierte Angebote für die Zielgruppe geschaffen werden. So bieten Veranstaltungen für Mädchen* und junge Frauen* einen Raum für einen geschützteren Austausch mit dem Fokus auf die Lebenswelten und Meinungen der Mädchen*. Besonders Peer-to-Peer-Formate eignen sich, um Mädchen* zum Mitmachen zu ermutigen und weibliche* Vorbilder in den Mittelpunkt zu stellen, mit denen sich Mädchen* leichter identifizieren können. Ein weiterer Ansatz ist, einen Arbeitskreis zu gründen, der sich mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit und Anliegen von Mädchen* und jungen Frauen* sowie LSBTTIQ*-Jugendlichen dauerhaft auseinandersetzt. Extra Räume für spezifische Anliegen, die oftmals übersehen werden, stärken die Anerkennung und Ansprache von unterrepräsentierten Gruppen.
Mädchen* werden aufgrund von gesellschaftlich bedingter Rollenprägung und stereotypen Zuschreibungen nach wie vor mehr im privaten Bereich verortet, weshalb sich viele nicht primär als politisch Handelnde verstehen. Die Beteiligung an Gremienarbeit kann durch einen niedrigschwelligen Zugang zur Arbeit des Jugendgemeinderats gefördert werden – z.B. indem zunächst über die Möglichkeiten politischer Partizipation aufgeklärt und Mädchen* und junge Frauen* so ermutigt werden, mitzusprechen und mitzuentscheiden. Praktische und lebensnahe Beispiele, was Politik bedeutet und wie auch individuelle Anliegen oftmals politisch sind, erleichtern die Verknüpfung zur eigenen Lebenswelt.
Sinnvoll ist, zusätzlich nach weiteren Barrieren und Ausschlüssen zu suchen, die eigene Veranstaltungen (oftmals unbewusst) mit sich bringen. Dazu gehören beispielsweise bauliche Barrierefreiheit aber auch sprachliche. So kennen aus unterschiedlichen Gründen (z.B. nicht-deutsche Muttersprache, soziale Herkunft oder Lernschwierigkeiten) nicht alle politische Fachbegriffe und tun sich mit einfacher Sprache leichter. Besondere Bedürfnisse lassen sich zum Beispiel bei Anmeldeformularen abfragen, um so möglichst vielen eine Beteiligung zu ermöglichen. Auch Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten erleichtern die Anreise und erreichen die Zielgruppe in verschiedenen Stadtteilen und im ländlichen Raum besser.
Machtkritische Haltung
Gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft, der Politik und im privaten Raum ist noch immer nicht erreicht. Dafür gibt es zum einen geschlechtsspezifische Gründe, die u. a. auf gesellschaftlich bedingte Rollenprägungen und strukturell vorhandene Ungleichheit zurückzuführen sind. Zum anderen stehen Betroffene von Mehrfachdiskriminierung aufgrund von z.B. Rassismus, Fluchterfahrung, nicht heteronormativer sexueller oder geschlechtlicher Orientierung, Behinderung, Klassenzugehörigkeit oder des Wohnsitzes im ländlichen Raum vor weiteren Zugangsbarrieren bei der Mitbestimmung und -gestaltung. Hinzu kommt, dass Politik noch immer cis-männlich und weiß dominiert ist. Vielfältige Vorbilder für Mädchen* fehlen und die Entscheidungsträger*innen sowie die Gesellschaft beziehen die Sichtweisen und Lebensrealitäten von Mädchen* und jungen Frauen* mit ihren Anliegen oftmals nicht mit ein. Als Fachkraft ist es daher wichtig, sich diesen Ungleichheitsverhältnissen bewusst zu werden, sie mitzudenken und Ausschlüsse vorzubeugen. Denn nicht alle Jugendliche haben die gleichen Ausgangsbedingungen oder sind gleich sprachfähig. Eine diskriminierungskritische Haltung einzunehmen und unterschiedliche Bedürfnisse im Blick zu behalten, kann zur Förderung von Perspektivenvielfalt einiges beitragen.
Kontakt:
LAG Mädchen*politik Baden-Württemberg
Stuttgarter Straße 61
70469 Stuttgart
(Mona Feil: feil@lag-maedchenpolitik-bw.de / Telefon: 0151 42012258)
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