Von Dominik Bär
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in einer Kommune sollte möglichst viele junge Menschen erreichen. Nun gibt es aber nicht die eine Jugend, sondern verschiedene Cliquen, Freundeskreise oder Jugendkulturen, die in einer Stadt oder Gemeinde vertreten sind. Da diese nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben, ist es eine Herausforderung, Kinder und Jugendliche aus möglichst allen Stadtteilen, sozialen Lagen und Bildungsschichten zu erreichen.
Repräsentativität muss auch bei Jugendgremien das Ziel sein
Von Erwachsenen wird häufig die Messlatte bzgl. Repräsentativität bei Jugendgremien höher angesetzt als bei den demokratischen Institutionen der Erwachsenen. Dabei macht die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) an vielen Stellen deutlich, dass vor Ort von sehr unterschiedlichen Kindheiten auszugehen ist – etwa mit dem Diskriminierungsverbot (Art. 2), der Hervorhebung der Rechte von Flüchtlingskindern (Art. 22) oder in der Förderung von Kindern mit Behinderungen (Art. 23). Besonders die Beteiligungsnorm sorgt dafür, dass die Sichtweisen und die Erfahrungen von Kindern in ihrer Vielfalt berücksichtigt werden und Unterschiede sich nicht als soziale Ungleichheiten und Ausgrenzungen verfestigen. Das theoretische Vorhalten gleicher Beteiligungsmöglichkeiten ist jedoch noch keine umfassende Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in alle sie betreffenden Belange. Aus dem Recht der Kinder ergibt sich an dieser Stelle eine Pflicht für die Kommune, möglichst allen Kindern und Jugendlichen Wege in die Beteiligungsstrukturen zu öffnen.
Beteiligung: Wie lassen sich alle gesellschaftlichen Milieus erreichen?
Freiwillige Beteiligungsprozesse mit und für junge Menschen auf kommunaler Ebene teilen häufig das Schicksal vieler Bildungs- und Partizipationsangebote: Sie erreichen vor allem junge Menschen aus Familien mit einem mittleren oder höheren sozialen Status, sind oft stark gymnasial geprägt und bilden somit die junge Wohnbevölkerung einer Gemeinde nicht repräsentativ ab. In der Tendenz führt dies zu einer hohen Präsenz von im politischen und gesellschaftlichen Diskurs ohnehin stark repräsentierten Milieus und Lebenswelten. Dies kann dazu führen, dass Themen wie Armut, Rassismus, schlechte Wohnbedingungen oder soziale Ungerechtigkeit unzureichend oder nur aus einer paternalistischen Grundhaltung heraus gegenüber „ärmeren Mitbürger:innen“ bearbeitet werden. Dies kann zu einem sich selbst verstärkenden Effekt führen: Was in der Mitte der Gesellschaft gelebt und gedacht wird, erscheint als normal und wird vorausgesetzt.
Um dem zu begegnen, ist es sinnvoll, mit einem möglichst diversen Team und in Kontakt mit Einrichtungen aus verschiedenen Stadt- und Ortsteilen, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen, in der Bewerbung des Jugendgremiums zusammenzuarbeiten. Über diese Vertrauenspersonen lassen sich auch Kinder und Jugendliche erreichen, die auf den ersten Blick kein Interesse an den kommunalen Beteiligungsstrukturen haben oder als schwer erreichbar gelten. Hilfreich ist insbesondere eine Zusammenarbeit mit mobiler und aufsuchender Jugendarbeit. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen beinhaltet, im Gegensatz zu Bürger:innenbeteiligung von Erwachsenen, ein starkes Element der Beziehungsarbeit. Fehlt diese Beziehungsebene, sind die Beteiligungsangebote für viele Kinder und Jugendliche nicht attraktiv. Dies bedeutet, dass alle Angebote der Jugendarbeit, der Kulturarbeit, die Schulen sowie Sportvereine und Verbände für das Thema Beteiligung offen sein sollten. Außerdem sollte die Zusammenarbeit mit den für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zuständigen Stellen zu ihren Aufgaben gehören.
Herausforderung langfristige Bindung ans Ehrenamt
Dass die Mitarbeit in einem Jugendgemeinderat oft eine hohe Verbindlichkeit voraussetzt und sich die Person für die Dauer einer Wahlperiode zur Mitarbeit verpflichtet, schreckt viele Kinder und Jugendliche ab, die sich nicht so lange festlegen lassen möchten. Außerdem sind die Themen, die auf der Tagesordnung stehen, oft abstrakt und überschneiden sich nur wenig mit der Lebenswelt in den einzelnen Stadt- oder Ortsteilen. Daher ist es sinnvoll, die Gremienarbeit mit der Arbeit an einzelnen, überschaubaren und zeitlich begrenzten Projekten zu verbinden. So kann eine Arbeitsgruppe sich um ein konkretes Freizeitangebot in einem Stadtteil kümmern, eine andere befasst sich mit der Umgestaltung eines Spielplatzes, eine dritte gestaltet ein Stadtteilfest mit. In diesen Arbeitsgruppen arbeiten neben den gewählten Mitgliedern des Jugendgemeinderats auch nicht gewählte Kinder und Jugendliche mit, die sich für das konkrete, abgegrenzte Thema interessieren. So können sie schneller Wirksamkeit an einem ihre Lebenswelt betreffenden Projekt erfahren, ohne sich zu lang zu binden. Sie haben damit die Möglichkeit, die Arbeit des Jugendgemeinderats in einer überschaubareren Zeit kennenzulernen und einige bleiben evtl. „hängen“ und kandidieren in der nächsten Wahlperiode selbst.
Kinder- und Jugendbeteiligung strukturell verankern
Es ist also wichtig, die unterschiedlichen Beteiligungsformen – die repräsentativen mit offenen und projektorientierten – Angeboten zu verknüpfen. Eine vollständige Planungsübersicht der Kommunalverwaltung, in der alle Vorhaben transparent dargestellt werden (wie sie für die Haushaltsanmeldung sowieso erstellt werden muss), ist dafür eine hilfreiche Grundlage. So können von dieser Liste Vorhaben für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ausgewählt werden und damit Projekte aus den verschiedenen Stadt- oder Ortsteilen zum Thema der Arbeit des Jugendgemeinderats werden. Ein Zugewinn daraus ist, dass auch ein transparenter Entscheidungsprozess über das Ob und das Wie der Kinder- und Jugendbeteiligung entsteht, der festgelegten Kriterien folgt und nicht mehr dem Zufall überlässt, wo Kinder und Jugendliche mitbestimmen dürfen.
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