Ein Beitrag von Tobias Köpf
„Queer“ ist ein Überbegriff für Menschen, die nicht in die romantischen, sexuellen und/oder geschlechtlichen Normen der Gesellschaft passen. Diese und andere Worterklärungen finden sich auf der Internetseite „Queer Lexikon“.
Die Nicht-Sichtbarkeit queerer Jugendlicher in Jugendgemeinderäten muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass diese dort unterrepräsentiert sind. Mitunter treten sie schlicht nicht als queer in Erscheinung. Da sie aufgrund z.B. ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihrer geschlechtlicher Identität Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren können, ist die Frage wichtig, wie der Jugendgemeinderat ein diskriminierungsarmer und sicherer Raum für queere Jugendliche sein kann. Es sollte ein Rahmen geschaffen werden, der ein Coming-out oder das Sprechen über queere Themen ermöglicht.
Doch wie kann das gelingen? Dazu muss unter die Lupe genommen werden, ob der Jugendgemeinderat die vielfältigen Identitäten und Anliegen junger queerer Menschen berücksichtigt. Welche Rolle spielen die Sprache und der Umgangston im Jugendgemeinderat? Wurde sensibilisiert und eine diskriminierungsfreie Sprache etabliert? Wird Intersektionalität (mehrdimensionale Diskriminierung) bedacht? Ist das soziale Klima im Jugendgemeinderat so, dass sich ein Coming-out nicht als große Hürde und Belastung für die Person darstellen würde?
Beratung im Themenfeld queere Jugendliche
Ein erster wichtiger Ansprechpartner für Jugendgemeinderäte und begleitende Fachkräfte ist der Landesverband der queeren Jugendgruppen in Baden-Württemberg „Queer Future Baden-Württemberg“. Auf der Seite des Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg findet man Beratungsstellen, die gezielt queere Menschen beraten.
„Queer Future“ bietet Informationen und Kontakte für Multiplikator:innen, Jugendverbände und weitere Kooperationspartner:innen. Fachkräfte, die ein jugendpolitisches Gremium begleiten oder sich als Mitglied eines Jugendgemeinderats für queere Fortbildungs- und Informationsmöglichkeiten interessieren, können eine Mail an queer-future-bw@netzwerk-lsbttiq.net oder eine Nachricht auf Instagram schreiben. Queer Future bietet außerdem Informationen, wo in Baden-Württemberg queere Jugendgruppen, Coming-out-Gruppen oder Beratungsstellen sowie Möglichkeiten, sich aktiv im Landesverband einzubringen, zu finden sind.
Selbstcheck-Fragen und hilfreiche Tipps
- Hat bisher keine offen queere Person für den Jugendgemeinderat kandidiert?
Tipp: Gezielt in queeren Jugendgruppen oder auf queeren Veranstaltungen über die Wahlen und die Arbeit eines Jugendgemeinderats informieren. Auch Signale nach außen, wie z.B. Aktionen und Statements des Jugendgemeinderats zu wichtigen queeren Gedenk- und Feiertagen, wie z.B. das Hissen der Regenbogenflagge im Pride Monat Juni, das Verwenden von Pronomen auf Namensschildern und in Vorstellungsrunden sowie gendergerechte Sprache sind wichtige Zeichen, welche eine Offenheit des Jugendgemeinderates deutlich machen können.
- Haben Mitglieder des Jugendgemeinderats Kontakt zu queeren Jugendgruppen/Jugendlichen?
Tipp: Infostände anbieten, Besuche von queeren Jugendgruppen, Plakate und Flyer entwerfen, ein Austausch mit entsprechenden queeren (Jugend-)Organisationen initiieren.
- Welche Möglichkeiten haben Jugendliche unterschiedlicher sexueller Orientierung und Geschlechtszugehörigkeit, ihre Anliegen dem Jugendgemeinderat mitzuteilen?
Tipp: Durch den Kontakt der Jugendgemeinderäte zu queeren Jugendlichen in Jugendgruppen oder auf Veranstaltungen, können deren Anliegen in Erfahrung gebracht werden. Auch Umfragen auf Social Media oder Möglichkeiten, anonym ein Anliegen mitzuteilen, senken Hürden für Queere Jugendliche.
- Weiß ich als Fachkraft, die ein jugendpolitisches Gremium begleitet, wo ich Fortbildungsangebote zu queeren Themen finde?
Tipp: Auf der Website des Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und bei Queer Future Baden-Württemberg finden sich entsprechende Informationen und Anlaufstellen. „Queer Future“ hilft außerdem gerne, die richtigen Ansprechpartner:innen für individuelle Anliegen zu finden.
- Herrscht im Jugendgemeinderat ein soziales Klima, welches ein Coming-out möglich macht und auch das Sprechen über queere Themen?
Tipp: Queere Personen, die noch kein Coming-out hatten, sprechen queere Themen vielleicht eher nicht an, um nicht als queer gelesen zu werden. Deshalb sollten sich auch nicht-queere Personen für queere Themen einsetzen und somit gute Verbündete für ihre queeren Mitmenschen sein und ihnen den Rücken stark machen.
- Fühlen sich queere Jugendliche im Jugendgemeinderat wohl? Wird ein respektvoller Umgangston gepflegt?
Tipp: Diskriminierende Äußerungen sind sehr verletzend und bleiben einer queeren Person oft lange im Gedächtnis. Wenn wir uns bewusst sind, was Worte anrichten können, ist das ein erster guter Schritt zu einem respektvollen Miteinander. Hierfür gibt es z.B. Workshops zu diskriminierungskritischer Sprache.
- Ist der Jugendgemeinderat für die Anliegen queerer Jugendlicher sensibilisiert und setzt er sich für die Belange queerer Jugendlicher in der Kommune ein?
Tipp: Nur im Austausch mit queeren Personen ist es möglich, sich über deren Anliegen zu informieren. Der Kontakt zu queeren Menschen ermöglicht den Abbau von Vorurteilen und eröffnet neue Perspektiven. Letztlich gehen die Belange queerer Jugendlicher alle etwas an, da sie im Grunde nur gleichberechtigt und respektiert sein wollen und dies etwas ist, wonach wir alle in unserer Gesellschaft streben.
- Gibt es bei mir in der Stadt oder Gemeinde einen Safer Space für queere Jugendliche, wie z.B. einen queeren Jugendtreff?
Tipp: Gerade im ländlichen Raum gibt es nur wenige Angebote für queere Jugendliche, wie z.B. eine wöchentlich stattfindende Jugendgruppe. Ein Jugendgemeinderat kann sich hier stark machen für queere Jugendliche und etwa Infoveranstaltungen, Aktionen wie einen Filmabend oder sogar ein Treffen für queere Jugendliche anbieten.
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