Allgemeines zum Jugendgemeinderat:
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg ist im § 41a Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO BW) geregelt. Formaljuristisch reicht schon ein einfacher Beschluss des Gemeinderates über die Einrichtung eines Jugendgemeinderates aus. Wie der Gemeinderat die Einzelheiten zur Bildung und zu den Aufgaben des Jugendgemeinderates regelt, ist durch das Gesetz nicht vorgegeben.[1] Nach § 41a III GemO BW ist jedoch eine Geschäftsordnung mit den im Gesetz vorgesehen Rechten zu erlassen. Ist der Jugendgemeinderat als Gremium in der Gemeinde angesiedelt, wird in der Praxis durch den als Hauptorgan der Gemeinde zuständigen Gemeinderat eine öffentlich-rechtliche Satzung bzw. Wahl-/ Geschäftsordnung über die Zusammensetzung, Wahl, Arbeit und Rechte des Hilfsorgans erlassen.[2] In der Regelung ist naturgemäß auch die Wahlperiode des Gremiums festgehalten, nach welcher Neuwahlen stattfinden müssen.[3]
Neuwahlen des Jugendgemeinderates nach Ablauf der Amtsperiode:
Läuft die Wahlperiode eines Jugendgemeinderates zeitlich aus, endet grundsätzlich auch automatisch die Amtszeit der Mitglieder des Jugendgemeinderates. Ist für die Bildung des Gremiums jedoch geregelt – ähnlich zum § 30 II S. 1 GemO BW -, dass die Mitglieder des Jugendgemeinderates bis zu den Neuwahlen im Amt bleiben, endet die Amtszeit entsprechend nicht automatisch mit Ablauf der Wahlperiode, sondern erst mit dem Ablauf des Tages der Neuwahlen des Gremiums.
Kann eine Neuwahl zeitlich nicht so organisiert werden, dass nach Ablauf der Wahlperiode direkt anschließend ein neu gewählter Jugendgemeinderat zusammentreten kann, handelt es sich im Ergebnis grundsätzlich um einen Verstoß gegen die Satzung bzw. Wahl-/ Geschäftsordnung.
Beschlüsse des Gremiums nach Ablauf der Wahlperiode sind somit nicht wirksam und sich aus der Organschaft ergebende Rechte der Mitglieder erlöschen
Dadurch, dass die Gemeindeordnung BW wie im Vorfeld beschreiben kein bestimmtes Verfahren in der Entscheidung über die Regelung der Wahlordnung vorschreibt, stellt sich die Frage wie eine durch den Gemeinderat beschlossene Wahlordnung rechtlich zu qualifizieren ist.
Der erste Gedanke fällt hierbei auf eine Regelung in der Hauptsatzung. Darauf kann zum einen über die Bezeichnung der Regelung geschlossen werden, aber auch Grund der Merkmale einer öffentlich-rechtlichen Satzung. Eine öffentlich-rechtliche Satzung ist jede Maßnahme, die eine verselbständigte Verwaltungseinheit unter Inanspruchnahme ihr gesetzlich verliehener Satzungsautonomie zur Anordnung mindestens einer abstrakt-generellen Regelung trifft.[4]
Durch die Zuweisung der Kinder- und Jugendbeteiligung zur Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung durch § 41a I S. 2 GemO BW, kann der Gemeinderat die Regelungen über die Bildung und Wahl in einer Satzung regeln. Diese Regelung würde zumindest auch generell nach außen für die Jugendlichen der Gemeinde wirken, fraglich bleibt jedoch die abstrakte Anwendung für eine öffentlich-rechtliche Satzung. Denn abstrakt sind Satzungen dann, wenn sie auf unendliche viele Sachverhalte Anwendung finden könnten. Eine Wahlordnung für einen Jugendgemeinderat regelt allerdings einen ganz konkret bestimmten Sachverhalt, die Wahl eines bestimmten kommunalen Hilfsorgans. Eine Sanktionierung auf Grund eines Verstoßes gegen eine öffentlich-rechtliche Satzung ist entsprechend nicht einschlägig. Würde man jedoch von einer öffentlich-rechtlichen Satzung ausgehen, so wäre ebenfalls die satzungserlassende Gemeinde für den Vollzug zuständig. Eine Sanktion über höheres Recht ist nicht möglich.
Diese Einordnung spricht folglich zunächst für eine konkret-generelle Regelung. In dieser Abgrenzung zur Satzung tritt die Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG in Erscheinung. In Betracht kommt eine adressatenbezogene Allgemeinverfügung, da im Unterschied zu der sach- und benutzungsbezogenen Allgemeinverfügung der Adressatenkreis durch die Jugendlichen der Gemeinde zumindest bestimmbar ist.[5] Anders als die Geschäftsordnung mit den internen Regelungen des Geschäftsgangs des Jugendgemeinderates entfaltet die Wahlordnung bereits mit Beschluss des Gemeinderates Wirkung auf die Jugendlichen der Gemeinde und bedarf keiner weiteren Umsetzung mehr durch die Verwaltung.
Kritisch kann hier freilich eingewendet, dass die Wahlordnung einen konkreten Sachverhalt immer wieder aufs Neue in einem gewissen Turnus für den konkreten Sachverhalt umfasst und das Eintreten des konkreten Sachverhalts auch intern durch die Allgemeinverfügung festgelegt werden würde.
Geht man trotzdem nach der Qualifizierung einer Wahlordnung des Jugendgemeinderates über den Weg einer Allgemeinverfügung, dann wäre schließlich die Gemeinde als erlassende Behörde auch für den Vollzug zuständig.
Ferner kommt auch die Qualifikation der Wahlordnung als einfacher Beschluss des Gemeinderates in Betracht.[6] Wird dieser Beschluss nicht durch die Verwaltung umgesetzt, steht lediglich dem Gemeinderat im Wege einer kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit der Verwaltungsrechtsweg offen.
Neben den rechtstheoretischen Ansichten kommt auch eine Betrachtung eines Verstoßes gegen die Wahlordnung vor dem Hintergrund der Regelungen zu Verstößen gegen die Geschäftsordnung des Gemeinderates in Betracht. Zwar unterscheidet sich Geschäftsordnung des Gemeinderates und die Wahlordnung des Jugendgemeinderates insofern, dass die Geschäftsordnung reines Innenrecht[7] darstellt und die Wahlordnung eine Außenwirkung aufweist, allerdings ist bei Jugendgemeinderäten die Wahl- und Geschäftsordnung regelmäßig verbunden und ist als Hilfsorgan mit beratender Funktion in den internen Geschäftsgang des Gemeinderates eingebunden. Geht man von dieser Einordnung aus, so führt ein Verstoß gegen die Regelungen – ebenso wie bei einem Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Gemeinderates - ebenfalls zu keiner Sanktion oder Rechtswidrigkeit, sofern nicht die Vorgaben aus der GemO BW verletzt werden.
Höherrangiges Recht – wie etwa bei den Wahlen zum Gemeinderat - ist in diesem Zusammenhang nicht zu beachten.
Im Ergebnis kann jedoch festgehalten werden, dass eine verspätete Durchführung der Wahlen zum Jugendgemeinderat zu keinen Sanktionen führen würden. Insbesondere bei einer kurzen und notwendigen Übergangszeit dürfte eine verspätete Neuwahl ein zu rechtfertigender Grund sein.
Ist der Jugendgemeinderat – eher unüblich - in einem Verein organisiert, kann sich der Vorstand des Gremiums wegen der Verletzung der Ladungspflicht gegenüber dem Verein schadensersatzpflichtig machen, wenn durch die verspätete Einberufung Nachteile entstehen. Hierzu müsste allerdings ein schuldhaftes Handeln vorliegen und zusätzlich noch ein tatsächlich messbarer Schaden für den Verein durch die verspätete Ladung und Durchführung der Mitgliederversammlung/ Neuwahlen.
[1] Komm. z. GemO, 4. Aufl., 32. LfG, Oktober 2022, § 41a, Rn. 16
[2] § 41a I S. 3 GemO BW
[3] Komm. z. GemO, 4. Aufl., 32. LfG, Oktober 2022, § 41a, Rn. 18
[4] Ellerbrock (Fn. 9), S. 87
[5] Ziekow VwVfG, 4. Aufl. 2020, VwVfG § 35, Rn. 60
[6] Komm. z. GemO, 4. Aufl., 32. LfG, Oktober 2022, § 41a, Rn. 16
[7] Komm. z. GemO, 4. Aufl., 30. Lfg., April 2021, § 36, Rn. 9
Kommentare
0 Kommentare
Zu diesem Beitrag können keine Kommentare hinterlassen werden.